Datum : 8. Juni 2022, 17h
Ort : Sion, Energypolis, rue de l'Industrie 21, Zi. 21N307
Eine Gefängnisstrafe bestraft ein Verbrechen. Sie ist mehr oder weniger lang, je nach der Schwere des Delikts, und kann verkürzt werden, wenn der Gefangene sich korrekt verhält. Wenn er aus dem Gefängnis freigelassen wird, hat der von nun an Ex-Gefangene seine Schuld vor dem Staat bezahlt. Er muss noch die Bedingungen seiner Freilassung einhalten, den Rückfall vermeiden, und sein Strafregister behält die Spuren der Vergangenheit in Erinnerung. Aber die Schuld holt ihn ein, wenn er versucht, sich ins Leben wiedereinzugliedern, eine Wohnung oder Arbeit zu finden, seine Familie wiederzufinden und Freundschaften neu anzuknüpfen. Dabei merkt er, dass er eine zweite Strafe verbüssen muss, die der Schande. Er hat den Eindruck, dass er seine Vergangenheit verstecken muss, um im Leben wieder anzufangen. Viele ehemalige Gefangene sind gezwungen, das Geld, das sie verdienen, wieder abzugeben um ihre Schulden abzubezahlen. Es wird vielleicht nie genug sein. Die Gesellschaft vergibt nicht so leicht wie die Justiz. Wie kann man reinen Tisch machen? Denen, denen man Schaden zugefügt hat sagen, dass man es bedauert? Die, denen man keinen Schaden zugefügt hat, um eine neue Chance bitten? Die schlechten Freundschaften vermeiden, die einen in die gleichen Teufelskreise zurückbringen? Dann sind da auch die Krankheiten, Gebrechen, psychischen Schwierigkeiten. Und wir, die Gesunden, die Normalen, die alle diese Stolpersteine in unseren bürgerlichen Existenzen zu umgehen wissen, sind wir fähig, ein befreiendes Wort an unsere Brüder zu richten, die auf dem schlechten Weg sind?
Biographie:
Ugo Mora ist 1960 geboren und hat zunächst eine Lehre als Elektromonteur gemacht und etwa 10 Jahre im Tessin und in der Deutschschweiz in diesem Beruf gearbeitet, wobei er zum Spezialisten für Regelungstechnik geworden ist. Anschliessend ist er als Delegierter des internationalen Komitees vom Roten Kreuz (CICR) in Krisen- oder Kriegsgebeutelte Länder gereist (Afrika und Osteuropa), und hat dann eine Ausbildung in Sozialarbeit an der Ecole sociale et pédagogique de Lausanne (jetzt HETSL der HES-SO) gemacht, die er 1995 abgeschlossen hat. Anschliessend ist er Sozialarbeiter und Animateur im Gefängnisbereich geworden, bei den Justizvollzugsanstalten der Plaine de l’Orbe (EPO), Bois-Mermet, bei La Stampa und beim Bewährungsamt. Er hat diese Engagements in der Sozialarbeit mit Missionen im Ausland abgewechselt: 2001-2002 ist er Administrator und Logistiker des Projekts Radio Okapi in der Demokratischen Republik Kongo, in Kinshasa, zwischen 2006 und 2014 koordiniert er für das CICR das Departement Wasser und Wohnen in Haïti, Ruanda, Mauritanien und Tunisien, er ist Spezialist für das Gefängnismilieu und für die benachteiligten Populationen. Seit 2015 ist er bei der Fondation vaudoise de probation in Epalinges, er ist insbesondere der Koordinator/Animator des Pilotprojekts « Désistance », unter dem Mandat der Commission latine de probation.